Wenn ein geliebter Mensch erkrankt, stehen Angehörige oft hilflos daneben und wissen nicht, wie sie helfen können. Doch Sie als Familienmitglied spielen eine wichtige Rolle im Reha-Prozess. Ihre einfühlsame Unterstützung zu Hause kann den Therapieerfolg Ihrer Liebsten maßgeblich fördern – ohne dass Sie sich dabei überfordern. Dieser Ratgeber soll Mut machen: Mit Herz und einfachen Mitteln können Sie aktiv dazu beitragen, die Fähigkeiten Ihres erkrankten Angehörigen zu erhalten und zu verbessern. Im Folgenden erhalten Sie praktische Tipps und emotionale Unterstützung, damit Sie sich als Teil des Heilungsprozesses fühlen und gleichzeitig auf sich selbst achten.
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Alltagstaugliche Übungen für verschiedene Krankheitsbilder
Jede Erkrankung bringt eigene Herausforderungen mit sich. Wichtig ist, dass Sie auf die individuellen Bedürfnisse eingehen und kleine Übungen in den Alltag einbauen, die weder Sie noch Ihren Angehörigen überfordern. Oft genügen wenige Minuten mehrmals am Tag – Hauptsache regelmäßig und mit Freude statt Zwang. Hier einige Beispiele für alltagstaugliche Übungen bei unterschiedlichen Krankheitsbildern:
Bei Demenz: Erinnerungen wecken und Geist aktiv halten
Bei Demenz steht die Gedächtnis- und Aktivierungstherapie im Vordergrund. Schon einfache Spiele können helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu trainieren und schöne Momente zu schaffen. Zum Beispiel fördert ein Puzzlespiel oder ein gemeinsames „Memory“-Kartenspiel die Konzentration, sollte aber nicht zu lange am Stück dauern, um niemanden zu überfordern. Greifen Sie am besten auf bekannte Inhalte aus der Vergangenheit zurück: Singen Sie zusammen alte Lieder und raten Sie den Titel oder den Interpreten – oft bringt Musik längst geglaubte Erinnerungen zurück. Auch kleine Bewegungsübungen mit den Händen können das Gehirn stimulieren; etwa sanfte Fingerübungen oder „Klavierspielen“ auf dem Tisch regen die Auge-Hand-Koordination an. Wichtig ist, dass Sie auf Erfolgserlebnisse achten – passen Sie die Schwierigkeit der Aufgaben an und loben Sie viel. Regelmäßiges Gedächtnistraining kann dazu beitragen, den Abbau der geistigen Fähigkeiten zu verlangsamen und noch vorhandene Kompetenzen zu stärken. So schenken Sie Ihrem Angehörigen nicht nur ein bisschen Gehirnjogging, sondern auch Selbstvertrauen und gemeinsame Freude.
Nach einem Schlaganfall: Motorik und Selbstständigkeit Schritt für Schritt fördern
Ein Schlaganfall kann die Bewegungsfähigkeit – gerade von Arm und Hand – stark beeinträchtigen. Hier gilt: Übung macht den Meister. Unterstützen Sie Ihren Angehörigen dabei, durch regelmäßige kleine Übungen die verlorenen Funktionen nach und nach zurückzugewinnen. Ergotherapeutinnen geben oft „Hausaufgaben“ mit – trauen Sie sich, diese gemeinsam umzusetzen. Beispielsweise können Sie zusammen die Fingerfertigkeit trainieren, indem der oder die Betroffene Alltagsgegenstände tastend übt zu greifen: Lassen Sie kleine Figuren oder Knöpfe in eine Schüssel mit trockenen Bohnen oder Linsen sinken, die Ihr Familienmitglied dann mit der betroffenen Hand darin erspüren und herausfischen soll. Das fördert den Tastsinn und die Greiffähigkeit auf spielerische Weise. Auch Mal- oder Schreibübungen können hilfreich sein – schon gemeinsames Kritzeln, Malen oder Nachzeichnen von Linien stärkt die Koordination und vorbereitet komplexere Bewegungen wie das Schreiben. Ebenso effektiv sind leichte Fingerübungen, etwa einen kleinen Würfel oder Ball zwischen Daumen und Fingern hin- und her bewegen, oder mit beiden Händen einen Ball zuwerfen und auffangen. Durch solche täglichen Übungsminuten kann Ihr Angehöriger nach und nach mehr Geschicklichkeit gewinnen. Haben Sie dabei Geduld und feiern Sie auch kleinste Fortschritte – jeder erfolgreich gegriffene Gegenstand ist ein Schritt zurück in die Selbstständigkeit.
Bei Morbus Parkinson: Bewegung, Balance und Feinmotorik stärken
Parkinson beeinflusst vor allem die Beweglichkeit, das Gleichgewicht und die Feinmotorik. Als Angehöriger können Sie viel tun, um Ihren Lieben in Bewegung zu halten und gleichzeitig Sicherheit zu geben. Integrieren Sie leichte Bewegungsübungen in den Alltag, angepasst an das aktuelle Können Ihres Familienmitglieds. Viele Übungen lassen sich auch im Sitzen durchführen, falls das Stehen schwerfällt. Ein Beispiel: Lassen Sie Ihren Angehörigen im Sitzen abwechselnd die Knie anheben und wie beim Marschieren die Arme mitschwingen – diese einfache „Sitzgymnastik“ fördert die Durchblutung und macht oft sogar Spaß. Für die Feinmotorik eignen sich spielerische Handübungen: Geben Sie Ihrem Angehörigen etwa einen Igelball (einen kleinen stacheligen Gummiball) in die Hand. Er oder sie kann den Ball mehrmals hochwerfen und wieder fangen – später auch von der rechten in die linke Hand spielen. Das verbessert die Beweglichkeit der Finger und die Koordination beider Hände spielerisch. Achten Sie bei allen Übungen auf Sicherheit: Gerade bei Stand- und Gehübungen ist es wichtig, für eine Haltemöglichkeit zu sorgen (z.B. am Tisch oder Geländer festhalten), um Stürze zu vermeiden. Lieber eine Übung im Sitzen machen oder mit festem Halt, dafür aber mit gutem Gefühl und ohne Angst. Darüber hinaus können Tanz oder rhythmische Bewegung helfen – wenn Ihr Angehöriger Freude an Musik hat, tanzen Sie doch mal gemeinsam durchs Wohnzimmer. Das erhält Mobilität und Lebensfreude. Und vergessen Sie nicht: Fragen Sie bei Unsicherheiten den behandelnden Therapeuten um Rat. Er oder sie kann Ihnen gezielte Parkinson-Übungen für zuhause zeigen, mit denen Sie die Therapie optimal ergänzen.
Bei Multipler Sklerose: Aktiv bleiben im Rahmen der Möglichkeiten
Multiple Sklerose (MS) verläuft bei jedem Menschen anders. Die Devise lautet hier: das Mögliche üben, ohne zu überfordern. Konzentrieren Sie sich darauf, noch vorhandene Funktionen zu stärken und zu erhalten. Viele MS-Patienten kämpfen mit nachlassender Kraft, Koordination und manchmal auch kognitiven Problemen. Im Alltag heißt das für Sie als Angehöriger: Ermuntern Sie Ihren Liebsten zu regelmäßiger Bewegung im Rahmen seiner Kräfte. Das können schon kleine Dinge sein wie das täglich gemeinsame Treppensteigen (wenn machbar) oder kurze Spaziergänge – diese trainieren Gleichgewicht und Ausdauer und helfen, Schwindel und Unsicherheit entgegenzuwirken. Feinmotorik und Fingerübungen sind ebenfalls wichtig: Aufgaben wie das Zuknöpfen eines Hemdes oder das Aufheben kleiner Gegenstände kann man üben, damit die Hände beweglich bleiben. Zum Beispiel können Sie zu Hause einfache Fingerübungen durchführen, die auch in der Ergotherapie empfohlen werden: etwa wiederholt die Finger spreizen und zusammenführen, den Daumen nacheinander an jede Fingerspitze der gleichen Hand bringen oder mit den Fingern imaginär über eine Tischplatte „trommeln“. Solche Übungen erfordern nur Minuten und können mehrmals am Tag eingelegt werden. Auch Gedächtnistraining kann bei MS sinnvoll sein, falls Konzentration oder Merkfähigkeit nachlassen – hier dürfen Sie gerne ebenfalls auf Spiele, Rätsel oder Erinnerungsübungen zurückgreifen, wie bei einer beginnenden Demenz. Wichtig bei MS ist zudem, auf die Tagesform zu achten: An guten Tagen etwas mehr machen, an schlechten mehr Pausen einlegen. Motivieren Sie behutsam, aber drängen Sie nie – Ihr Familienmitglied kennt seinen Körper am besten. Gemeinsam können Sie ausprobieren, was guttut: Das kann auch mal Schwimmen, Yoga oder Entspannungsübungen bedeuten, je nachdem, was möglich ist. Jeder kleine Schritt zählt und erhält ein Stück Normalität im Alltag mit MS.
Bei Rheuma und Arthrose: Gelenke schonen und Beweglichkeit erhalten
Chronische Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis oder Arthrose bringen Schmerzen und Steifigkeit mit sich. Als Angehöriger können Sie helfen, die Gelenke Ihres Liebsten in Bewegung zu halten, ohne sie zu überlasten. Wärme und sanfte Bewegung sind hier oft der Schlüssel: Wärmeanwendungen wie ein warmes Handbad, ein erwärmtes Kirschkernkissen oder auch einfach eine Tasse warmer Tee in den Händen können verspannte Muskeln lockern und die Durchblutung fördern. Manche Betroffene genießen es z.B., die Hände in eine Schüssel mit warmen (nicht heißen!) Linsen oder Kies zu tauchen und darin zu bewegen – die angenehme Wärme erleichtert danach viele Bewegungen. Anschließend können leichte Übungen folgen, immer in Absprache mit dem Schmerzempfinden. Bewährt haben sich kräftigende Fingerübungen: Lassen Sie Ihren Angehörigen z.B. einen weichen Schwamm oder einen selbstgebastelten Knautschball (etwa ein Luftballon, gefüllt mit etwas Sand oder Mehl) mehrmals hintereinander drücken und kneten. Das stärkt die Handmuskulatur und fördert die Beweglichkeit der Finger. Auch das wiederholte Auf- und Zubiegen der Finger, das Spreizen der Finger oder das Kreisen der Arme sind einfache Übungen, die die Gelenke mobil halten. Ganz wichtig: Üben Sie regelmäßig, aber nie bis in starke Schmerzen hinein. Ihr Angehöriger sollte immer selbst das Tempo bestimmen – an manchen Tagen geht mehr, an anderen weniger. Loben Sie jeden Versuch und lassen Sie genug Ruhepausen. Neben den Übungen hilft es sehr, den Alltag gelenkschonend zu gestalten: Zeigen Sie Ihrem Liebsten, wie man z.B. beim Aufstehen erst mit geradem Rücken nach vorne rutscht oder beim Heben schwerer Gegenstände lieber die Bein- statt Rückenmuskeln einsetzt. Und vor allem: Planen Sie jeden Tag kleine Bewegungseinheiten ein, um „einzurosten“ vorzubeugen – sei es ein Spaziergang, etwas Gartenarbeit oder ein paar Lockerungsübungen morgens und abends. So fühlt sich Ihr Angehöriger trotz Rheuma aktiv und eingebunden, was auch psychisch guttut.
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Hilfsmittel: Kleine Helfer für mehr Selbstständigkeit
Neben Übungen spielen Hilfsmittel im Alltag eine große Rolle, um Ihren Angehörigen zu entlasten und Selbstständigkeit zu fördern. Viele praktische Alltagshelfer ermöglichen es, Tätigkeiten trotz Einschränkungen besser zu bewältigen. Scheuen Sie sich nicht, solche Hilfsmittel zu nutzen – sie sind kein Zeichen von Schwäche, sondern erleichtern beiden Seiten das Leben. Hier eine Auswahl nützlicher Hilfsmittel und wie sie Ihre Liebsten unterstützen können:
- Greifhilfen: Darunter versteht man z.B. Greifzangen oder spezielle Handschlaufen, mit denen Gegenstände leichter gegriffen und gehalten werden können. Eine Greifzange hilft etwa dabei, etwas vom Boden aufzuheben, ohne sich bücken zu müssen. Es gibt auch universelle Greifmanschetten (wie EazyHold), die an Alltagsgegenständen befestigt werden können. Solche Greifhilfen ermöglichen es Menschen mit wenig Kraft oder bewegungseingeschränkten Händen, Dinge wie Besteck, Stifte, Bürsten oder Tassen besser zu fassen und zu benutzen. Diese kleinen Helfer machen den Alltag ein Stück selbstständiger, weil sie fehlende Kraft oder Beweglichkeit teilweise ausgleichen.
- Therapieknete: Die bunte Knetmasse – oft aus der Ergotherapie bekannt – ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Trainingsgerät. Therapieknete wird vor allem in der Handtherapie eingesetzt, um die Handkraft und Fingerbeweglichkeit zu verbessern. Ihr Angehöriger kann die Knete zu Hause beliebig oft drücken, ziehen und kneten. Das stärkt die Muskulatur in Fingern und Unterarm, fördert die Durchblutung und die Koordination. Es gibt verschiedene Härtegrade; beginnen Sie am besten mit einem weichen Material und steigern Sie den Widerstand je nach Fortschritt. Tipp: Falls keine spezielle Therapieknete zur Hand ist, tut es auch ein weicher Gummiball oder eben ein Schwamm – Hauptsache, die Hände bekommen etwas „Training“. Viele Betroffene nutzen das Kneten auch als Stressabbau und um die Hände beweglich zu halten.
- Trinkhilfen und Schnabeltassen: Wenn Trinken aus normalen Gläsern oder Tassen schwerfällt (z.B. wegen Zittern, Schwäche oder Bettlägerigkeit), sind spezielle Trinkhilfen Gold wert. Schnabeltassen haben einen Deckel mit trinkfreundlichem Aufsatz („Schnabel“), der ein Verschütten verhindert und das Trinken im Liegen ermöglicht. Es gibt auch leichte Becher mit zwei Henkeln für einen sicheren Halt oder Becher mit Nasenausschnitt, damit man den Kopf nicht so weit nach hinten lehnen muss. Solche Hilfsmittel geben Ihrem Angehörigen ein Stück Unabhängigkeit zurück, weil er/sie ohne fremde Hilfe trinken kann. Achten Sie darauf, einen Becher zu wählen, der zum Greifvermögen Ihres Familienmitglieds passt (ggf. mit Antirutsch-Griff oder Halterung).
- Aufstehhilfen und Haltegriffe: Um Stürze zu vermeiden und den Kraftaufwand beim Aufstehen oder Hinsetzen zu verringern, gibt es verschiedene Halte- und Aufstehhilfen. Zum Beispiel können am Bett oder am Lieblingssessel Aufstehgriffe montiert werden, an denen sich Ihr Angehöriger festhalten und hochziehen kann. Ebenso sind Haltegriffe im Bad (an der Dusche, Badewanne oder Toilette) sehr sinnvoll, damit Ihr Liebster sich abstützen kann und sicherer fühlt. Scheuen Sie sich nicht, solche Anpassungen in der Wohnung vorzunehmen – sie ermöglichen oft erst, dass der Betroffene ohne ständige Hilfe aufstehen, sich umsetzen oder sicher zur Toilette gehen kann. Auch ein stabiler Duschhocker oder ein Toilettensitz-Erhöher gehören zu diesen nützlichen Helfern. Die meisten dieser Hilfsmittel werden bei medizinischer Notwendigkeit sogar von der Krankenkasse bezuschusst oder gestellt, also nutzen Sie diese Möglichkeiten ruhig.
- Weitere Alltagshilfen: Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Je nach Bedarf gibt es Spezialbesteck mit verdickten Griffen (erleichtert das Halten bei Zittern oder Gelenkschmerzen), Knöpfhilfen zum Schließen von Knöpfen bei nur einer funktionsfähigen Hand, Schuhlöffel mit langem Stiel, rutschfeste Unterlagen (damit Teller beim Essen nicht wegrutschen) und vieles mehr. In der Küche helfen Einhand-Schneidebretter mit Fixierstiften, damit z.B. ein Brot einhändig bestrichen werden kann. Ein Rollator oder Gehstock zählt ebenfalls zu den Alltagshilfen – er gibt Sicherheit beim Gehen, fördert aber zugleich die Mobilität, weil sich Ihr Angehöriger mehr zutraut. Manchmal sind es auch kreative Lösungen: Ein kleiner Teewagen als Servierwagen kann z.B. das Tragen von Geschirr ersetzen. Wichtig ist: Hilfsmittel sind dazu da, den Alltag zu erleichtern, und verdienen keinen falschen Stolz. Im Gegenteil, sie bewahren Selbstständigkeit und entlasten sowohl den Erkrankten als auch Sie als Pflegenden.
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Motivieren ohne zu belehren: Die Kunst der einfühlsamen Unterstützung
Ihre Haltung und Ansprache machen einen großen Unterschied. Niemand wird gerne bevormundet – erst recht nicht ein erwachsener Mensch, der durch Krankheit ohnehin an Eigenständigkeit eingebüßt hat. Versuchen Sie daher, Ihren Angehörigen wie einen Partner im Prozess zu behandeln, nicht wie ein Kind oder „Pflegefall“. Praktisch bedeutet das: Lassen Sie Ihrem Liebsten so viel Entscheidungsfreiheit wie möglich. Beziehen Sie ihn in Alltagsentscheidungen ein – von „Was möchtest du heute üben?“ bis „Möchtest du Milch oder Tee?“. Dieses Mitbestimmen stärkt das Selbstwertgefühl. Nehmen Sie ihm Routineaufgaben nicht einfach ab, solange er sie (mit etwas Zeit) selbst bewältigen kann. Auch wenn es länger dauert: Lassen Sie z.B. Ihren Angehörigen selbst die Zähne putzen oder sich anziehen, falls er dazu grundsätzlich in der Lage ist – bieten Sie nur Hilfe an, wenn er ausdrücklich darum bittet. So erhält Ihr Familienmitglied das Gefühl, weiterhin etwas allein zu schaffen, und Sie vermeiden das Gefühl des „Belehrens“.
Geduld ist Ihr größter Verbündeter. Geben Sie Ihrem Angehörigen die Zeit, die er für eine Tätigkeit oder ein Wort benötigt. Gerade bei Krankheiten wie Parkinson oder nach einem Schlaganfall laufen Dinge langsamer – aber sie laufen mit etwas Geduld oft doch. Vermeiden Sie es, Sätze zu beenden oder ihm ständig zu korrigieren. Lob und positive Verstärkung wirken Wunder: Betonen Sie die Fortschritte, nicht die Defizite. Wenn etwas mal nicht klappt, trösten Sie und schlagen Sie vor, es später erneut zu versuchen, statt zu schimpfen. Humor hilft ebenfalls, Spannungen zu lösen – lachen Sie auch mal gemeinsam über Missgeschicke, das nimmt den Druck heraus.
Wichtig ist auch, ein motivierendes Umfeld zu schaffen, statt Druck aufzubauen. Machen Sie die Übungen oder Aktivitäten möglichst spaßig und alltagsnah. Ihr Angehöriger mag früher gern gekocht haben? Dann lassen Sie ihn beim Gemüseschneiden mit speziellen Hilfsmitteln helfen oder gemeinsam ein altes Familienrezept zubereiten. Wenn ein gewisses Spiel immer Freude gemacht hat – bauen Sie es ein (sei es Karten spielen, Basteln oder Zeitung vorlesen). So wird Therapie zum Bestandteil normaler Familienzeit und nicht zur Pflichtaufgabe. Vermeiden Sie einen strengen „Lehrer“-Ton. Sätze wie „Du musst doch…“ oder „Mach es so, nicht so!“ können entmutigen. Besser ist es, in Wir-Form zu sprechen: „Lass uns zusammen probieren, ob wir heute drei Minuten länger üben können.“ Oder: „Wie wäre es, wenn wir mal dieses Spiel ausprobieren?“ – So fühlt sich Ihr Angehöriger als gleichwertiger Partner und nicht belehrt.
Nicht zuletzt: Hören Sie Ihrem Herzen zu. Wenn Sie spüren, dass Ihr Angehöriger heute gar nicht mag oder kann, akzeptieren Sie das. Motivation heißt auch, die Stimmungslage zu erkennen und vielleicht lieber einen ruhigen Kuschel- oder Fernsehabend einzulegen, wenn es nötig ist. Morgen ist auch noch ein Tag. Zeigen Sie Ihrem Liebsten, dass Sie aus Liebe und gemeinsam handeln, nicht aus Pflichtgefühl. Diese emotionale Unterstützung – das Gefühl „Wir schaffen das zusammen, und ich bin an deiner Seite“ – ist mindestens so heilsam wie jede Übung.
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Alltag organisieren: Struktur, Pausen und Sicherheit
Ein geregelter Tagesablauf kann sowohl Ihnen als Angehörigem als auch dem erkrankten Familienmitglied Halt und Orientierung geben. Tagesstruktur bedeutet nicht strenge Disziplin, sondern einen liebevollen Rahmen, in dem Aktivität und Ruhe sich abwechseln. Versuchen Sie, regelmäßige Zeiten für Aufstehen, Mahlzeiten, Medikamente, Übungen und Entspannung einzuplanen. Gerade Menschen mit kognitiven Einschränkungen (z.B. Demenz) profitieren sehr von festen Ritualen – sie geben Sicherheit und reduzieren Verwirrung. Hängen Sie etwa einen einfachen Tagesplan gut sichtbar auf, mit Symbolen oder Stichworten, damit Ihr Angehöriger weiß, was als Nächstes kommt (z.B. ein Bildchen von Besteck für Mittagessen, ein Buch für Ruhezeit). Routine darf aber auch flexibel sein: Wenn heute Vormittag die Energie fehlt, wird die Übungseinheit eben am Nachmittag nachgeholt oder abgekürzt. Hören Sie auf den Körperrhythmus Ihres Angehörigen. Manche Menschen sind morgens fitter, andere am Abend – passen Sie die anspruchsvolleren Aktivitäten entsprechend an.
Ruhephasen sind kein Luxus, sondern Notwendigkeit. Planen Sie innerhalb des Tages immer wieder Erholungszeiten ein, in denen nichts „geleistet“ werden muss. Das kann der Mittagsschlaf sein, oder einfach eine Stunde nachmittags, in der Ihr Angehöriger Musik hört oder aus dem Fenster schaut. Auch nach Therapiestunden (sei es Ergotherapie, Physiotherapie etc.) braucht der Körper oft erstmal Pause, um die Eindrücke zu verarbeiten. Überanstrengung nutzt niemandem – weder dem Patienten, der erschöpft und frustriert wird, noch Ihnen als Pflegendem. Gemeinsam Pausen einlegen ist übrigens auch schön: Setzen Sie sich zusammen auf den Balkon mit einer Tasse Tee, genießen Sie einen ruhigen Moment. Solche Entspannungsmomente laden Ihre Akkus wieder auf und verhindern, dass die Rehabilitation zur Dauermarathon wird. Denken Sie daran, was in den Tipps für Parkinson-Angehörige betont wird: Vermeiden Sie Überanstrengungen und planen Sie von vornherein genug Zeit für Erholung bei gemeinsamen Aktivitäten ein.
Sicherheit im Alltag hat oberste Priorität. Ein Unfall oder Sturz kann alle Fortschritte gefährden – daher gestalten Sie die Umgebung möglichst sicher: Beseitigen Sie Stolperfallen wie lose Teppiche oder herumliegende Kabel. Sorgen Sie für gute Beleuchtung, besonders auf dem Weg zum Bad in der Nacht, um Unsicherheiten zu verringern. Bringen Sie, wie erwähnt, Haltegriffe in Bad und Treppenhaus an – sie geben Halt und Vertrauen. Überlegen Sie, ob Hilfsmittel zur Sturzprävention nötig sind, z.B. rutschfeste Matten in Dusche und Badewanne, ein Duschhocker, ein Bettgitter am Pflegebett, feste Handläufe an Treppen. Kleidung und Schuhe können ebenfalls zur Sicherheit beitragen: rutschfeste Schuhe oder Hausschuhe mit fester Sohle, anstelle von Schlappen, und Kleidung ohne komplizierte Verschlüsse (verhindert Hektik und Frust beim Anziehen). In der Küche sollten scharfe oder gefährliche Gegenstände sicher verstaut sein, falls z.B. eine Demenz vorliegt und Verwechslungen passieren könnten. Eine angepasste Wohnumgebung bedeutet Selbstständigkeit und Schutz zugleich. Ihr Angehöriger kann sich freier bewegen, wenn er weiß, dass die Umgebung sicher ist – und Sie können beruhigter auch mal einen Raum verlassen.
Nicht zu vergessen: Organisieren Sie sich Hilfe, wo nötig. Keiner kann und muss alles allein schaffen. Es gibt Pflegedienste, Tagespflegeeinrichtungen, Therapeuten und Beratungsstellen – nutzen Sie diese Angebote, damit weder Sie noch Ihr Angehöriger überfordert werden. Viele Krankenkassen bieten auch kostenlose Schulungen für pflegende Angehörige an, wo Sie Tipps zum Umgang mit bestimmten Erkrankungen erhalten. Solche Kurse können Ihnen Sicherheit geben und Ihnen zeigen, dass Sie nicht allein sind. Auch ein Netzwerk aus Freunden oder anderen Familienmitgliedern kann entlasten – vielleicht übernimmt jemand einmal pro Woche das Spazierengehen mit Ihrem Vater, während Sie Zeit für sich haben. Achten Sie auf sich selbst, denn nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie langfristig Kraft spenden.
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Mit Herz und Zuversicht Teil des Therapieerfolgs sein
Als Angehöriger sind Sie weit mehr als ein stiller Beobachter – Sie sind ein wichtiger Teil des Teams, das Ihrem lieben Menschen hilft, wieder auf die Beine zu kommen. Durch Ihre liebevolle Unterstützung, sei es mit kleinen Übungen, Hilfsmitteln oder einfach durch ermutigende Worte, tragen Sie jeden Tag ein Stück zum Fortschritt bei. Vergessen Sie nie: Ihre Nähe, Geduld und Zuversicht wirken oft Wunder. Rehabilitationsprozesse haben Höhen und Tiefen, und es wird Tage geben, an denen Sie beide mutlos sind. Doch genauso kommen die Tage, an denen ein kleines Erfolgserlebnis – sei es ein gespieltes Memory-Paar, ein selbst gebuttertes Brot oder ein paar Schritte ohne Hilfe – alle Mühen belohnt. Feiern Sie diese Momente gemeinsam!
Bleiben Sie einfühlsam und gehen Sie den Weg in kleinen Schritten. Schauen Sie nicht nur auf das Endziel (völlige Genesung gibt es leider nicht immer), sondern auf jeden gewonnenen Augenblick an Lebensqualität. Ihr Angehöriger spürt, dass er nicht allein kämpft, und auch Sie werden merken, dass das gemeinsame Tun Sie näher zueinander bringt. Sie sind Teil des Heilungs- und Unterstützungsprozesses – und genau diese Verbundenheit gibt Kraft. Machen Sie sich bewusst, was Sie schon alles leisten: Aus Liebe werden Sie zum Motivator, Trainer, Organisator und vor allem zum Mitstreiter an der Seite Ihres Liebsten.
Haben Sie Mut, auch selbst Hilfe anzunehmen, und schöpfen Sie Hoffnung aus jedem Fortschritt – so bleiben Sie beide auf Kurs. Zusammen mit den Fachleuten (Ärzten, Therapeuten, Pflegekräften) bilden Sie ein starkes Netzwerk um den Patienten herum. Mit Herz, Humor und Beharrlichkeit werden Sie staunen, was möglich ist. Jeder Tag zählt, und kein Beitrag von Ihnen ist zu klein. Am Ende gilt: Geteiltes Leid ist halbes Leid – und geteilte Freude ist doppelte Freude. Indem Sie Ihren Angehörigen in der Ergotherapie zu Hause unterstützen, schenken Sie ihm nicht nur Übungen, sondern vor allem Zuversicht, Geborgenheit und die Gewissheit, geliebt zu werden. Genau das ist oft die beste Medizin. Bleiben Sie dran – Sie machen einen Unterschied





