Eine Patientin nimmt bequem von zuhause aus an einer Online-Ergotherapie teil. Obwohl Kilometer zwischen ihnen liegen, fühlen sich Patient und Therapeut einander nah: Tele-Ergotherapie macht es möglich. Videobehandlungen und digitale Nachsorge-Programme sorgen dafür, dass Ergotherapie heute ortsunabhängig verfügbar ist. Wer in einer ländlichen Region lebt oder in seiner Mobilität eingeschränkt ist, muss nicht mehr auf wichtige Therapien verzichten. Die Behandlung kommt per Videoanruf ins eigene Wohnzimmer, persönlich, individuell und effektiv. Dabei sparen Patienten Zeit und Aufwand, denn „kein Ortswechsel, keine Anreisezeit“ sind nötig, wie ein Betroffener begeistert feststellt. Tele-Ergotherapie eröffnet damit vielen Menschen ein neues Gefühl von Freiheit und Zuversicht auf ihrem Weg der Genesung.
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Was ist Tele-Ergotherapie?
Tele-Ergotherapie bezeichnet ergotherapeutische Behandlungen, die über digitale Kommunikationsmittel stattfinden. Diagnose und Therapie erfolgen über räumliche Distanz, zum Beispiel via Videochat, statt in direkter physischer Gegenwart. Praktisch bedeutet das: Der Patient erhält einen geschützten Video-Link und trifft seinen Ergotherapeuten online im virtuellen Behandlungsraum. „Er muss einfach nur an dem Tag draufklicken… und kann direkt eins zu eins mit einem Therapeuten Kontakt aufnehmen“, beschreibt ein Tele-Ergotherapie-Team die einfache Handhabung. Die gesamte Sitzungszeit wird genutzt, um gemeinsam aktiv zu üben, nahezu so, als säße man sich im gleichen Raum gegenüber.
Wichtig: Tele-Ergotherapie ist „echte“ Therapie in Echtzeit, keine bloße Abfolge von Übungsvideos. Der Therapeut leitet den Patienten live an, beobachtet die Ausführung der Übungen und gibt sofort Feedback. In Deutschland wurde die Videobehandlung nach ersten erfolgreichen Pilotphasen mittlerweile fest etabliert: Seit Oktober 2022 dürfen Ergotherapeuten offiziell wieder per Video behandeln, sodass nahezu alle üblichen ergotherapeutischen Maßnahmen nun telemedizinisch durchgeführt und abgerechnet werden können.
Ein weiterer Baustein sind digitale Nachsorge-Programme. Oft werden die Online-Sitzungen durch spezielle Therapie-Apps oder Übungsplattformen ergänzt. „Unser Konzept fördert aktives Eigentraining. Wenn sinnvoll, ergänzen wir die Therapie durch digitale Anwendungen auf dem Tablet“, erklärt ein Tele-Ergo-Anbieter. Konkret heißt das: Der Patient bekommt etwa ein Übungsprogramm oder Videos für zuhause, protokolliert seine Fortschritte oder Schmerzen digital, oder nutzt eine Reha-App für das tägliche Training. So wird der Therapieerfolg auch zwischen den Sitzungen weiter gefestigt. Tele-Rehabilitation und telemedizinische Nachsorge ermöglichen es zum Beispiel, die in einer Klinik erlernten Übungen daheim fortzusetzen, wenn eine Anreise zu Nachsorgekursen zeitlich oder geografisch nicht machbar ist. Insgesamt verbindet Tele-Ergotherapie die klassische Therapie mit modernen Technologien, um Patienten ortsunabhängig und kontinuierlich zu begleiten.
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Vorteile: Zeitgewinn und neue Freiheiten
Tele-Ergotherapie eröffnet Chancen, die über das klassische Setting in der Praxis hinausgehen. Hier einige der wichtigsten Vorteile der Therapie aus der Ferne:
- Ortsunabhängige Versorgung: Räumliche Distanzen spielen keine Rolle mehr – weltweit können Behandlungen stattfinden. Spezialisierte Therapeuten stehen nun auch Patienten zur Verfügung, die weit entfernt wohnen. Das erhöht die Reichweite und Gerechtigkeit der Versorgung, gerade für Menschen in ländlichen Gebieten.
- Zeitersparnis und weniger Aufwand: Anfahrt, Parkplatzsuche und Wartezimmer entfallen. Unnötige Wege und Wartezeiten werden vermieden, was besonders im Alltag eine enorme Entlastung darstellt. Die frei gewordene Zeit kann der Patient in Ruhe für sich nutzen oder in zusätzliche Übungseinheiten investieren.
- Flexibilität im Terminplan: Online-Therapie lässt sich viel flexibler in den Tag einbauen. Sitzungen können z. B. morgens, abends oder sogar in der Mittagspause stattfinden, ganz nach Bedarf. Auch bei kurzfristigen Änderungen – etwa leichten Krankheitssymptomen oder Verkehrsstau, muss kein Termin ausfallen, da man sich von überall einloggen kann. Selbst im Urlaub kann die Behandlung fortgeführt werden, solange eine stabile Internetverbindung besteht.
- Vertraute Umgebung: Patienten befinden sich in ihren eigenen vier Wänden, was oft für mehr Wohlbefinden sorgt. Zuhause fühlen sich viele sicherer und entspannter, wodurch sie sich manchmal besser öffnen und freier mitmachen. Man kann die Umgebung nach den eigenen Bedürfnissen gestalten, „mein Wohnzimmer ist inzwischen quasi eine eigene kleine Praxis“, berichtet ein Tele-Ergo-Patient begeistert. Diese persönliche Atmosphäre kann Hemmungen abbauen und ermöglicht es auch, Alltagsaktivitäten direkt im realen Umfeld zu üben (z. B. das Trainieren von Handgriffen in der eigenen Küche).
- Aktive Mitwirkung und Empowerment: Da der Therapeut den Patienten nicht direkt berühren oder körperlich „führen“ kann, muss der Patient aktiver mitarbeiten. Was zunächst als Herausforderung klingt, entpuppt sich als großer Pluspunkt: „Die Patienten profitieren unglaublich davon. … Sie sagen oft: ‚Ich will jetzt wirklich was tun und nicht einfach nur passiv behandelt werden‘“. Tele-Ergotherapie fördert somit die Eigenverantwortung, Patienten setzen sich intensiver mit ihrem Krankheitsbild auseinander und integrieren Übungen motiviert in den Alltag. Dadurch bleiben sie auch zwischen den Terminen besser dran und „helfen mit, den Behandlungserfolg langfristig zu sichern“. Dieser persönliche Fortschritt steigert nicht nur die Therapieeffekte, sondern oft auch das Selbstvertrauen der Betroffenen.
Neben diesen Punkten hat sich Tele-Ergotherapie auch in besonderen Situationen bewährt: Beispielsweise kann bei Krankheitswellen oder Pandemien das Ansteckungsrisiko minimiert werden, da die Therapie kontaktfrei abläuft. Insgesamt bietet die Tele-Therapie also viele neue Möglichkeiten, ohne auf die Kompetenz und menschliche Zuwendung des Therapeuten verzichten zu müssen.
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Grenzen und Herausforderungen der Tele-Therapie
So vielversprechend Tele-Ergotherapie ist, sie ersetzt nicht in jedem Aspekt die klassische Präsenztherapie. Es gibt klare Grenzen und Herausforderungen, die bedacht werden müssen:
- Weniger persönliche Nähe: Manche Patienten vermissen den direkten menschlichen Kontakt. Mimik und Gestik sind über die Kamera zwar sichtbar, aber das Gefühl, mit dem Therapeuten physisch in einem Raum zu sein, fehlt. Dieses zwischenmenschliche Element, ein tröstendes Schulterklopfen oder das unmittelbare Einwirken auf Stimmungen, ist online nur eingeschränkt gegeben. Vielen fehlt insbesondere der spontane Plausch vor oder nach der Stunde. Diese emotionale Komponente der Therapie lässt sich durch die Distanz nicht vollständig reproduzieren.
- Nicht alle Behandlungen sind digital umsetzbar: Ergotherapie umfasst auch Maßnahmen, die zwingend vor Ort stattfinden müssen. Bestimmte Anwendungen wie Hausbesuche, thermische Anwendungen (Wärme/Kälte) oder das Anfertigen von Schienen sind von der Videobehandlung ausgeschlossen, hier ist die hands-on-Arbeit des Therapeuten unerlässlich. Tele-Ergotherapie stößt also dort an Grenzen, wo spezielle Geräte, manuelle Techniken oder unmittelbare physische Interventionen gefragt sind.
- Keine direkte körperliche Unterstützung: Körperkontakt und taktile Reize, zentrale Elemente vieler Therapien, entfallen bei der Online-Behandlung. Der Therapeut kann z. B. nicht mal eben die Hand führen, um eine Bewegung zu korrigieren, oder den Rücken abstützen. Patienten, die bei Übungen besondere Hilfestellung oder Schutz benötigen (etwa zur Sturzprophylaxe bei Gleichgewichtsproblemen), sind aus der Ferne nicht optimal betreut. Hier muss entweder eine geschulte Bezugsperson vor Ort helfen oder es bleibt bei Präsenzterminen.
- Technische Hürden: Tele-Ergotherapie ist nur so gut wie die eingesetzte Technik. Technische Probleme können den Ablauf stören, sei es eine instabile Internetverbindung, Ausfälle von Ton oder Bild oder Software, die hakt. In Regionen mit schlechtem Internet kann eine Videotherapie schnell zur Geduldsprobe werden. Außerdem erfordert das Format eine gewisse Technikaffinität: Nicht jeder ältere oder vorerkrankte Patient kommt mit Laptop, Kamera und Apps sofort zurecht. Auch für Therapeuten bedeutet es anfangs Mehraufwand, sich in die verschiedenen Videoplattformen und Datenschutzanforderungen einzuarbeiten. Beide Seiten müssen also bereit sein, Neuland zu betreten, was mitunter Unsicherheit auslöst.
Tele-Ergotherapie ergänzt die klassische Therapie, kann sie aber nicht in jeder Hinsicht ersetzen. Wichtig ist eine sorgfältige Auswahl: Der Therapeut entscheidet gemeinsam mit dem Patienten, ob eine Videobehandlung im individuellen Fall sinnvoll ist. Oft wird empfohlen, zumindest die allererste Sitzung in Präsenz durchzuführen, um Vertrauen aufzubauen und den Patienten gründlich zu analysieren. Danach kann die Tele-Therapie eine hervorragende Alternative oder Zwischenlösung sein, solange man die genannten Grenzen kennt und berücksichtigt.
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Praktische Tipps für Patienten: So gelingt die Online-Sitzung
Für Patienten mag der Wechsel zur Online-Therapie zunächst ungewohnt sein. Mit ein paar einfachen Vorbereitungen kann man jedoch viel dafür tun, dass die Videositzung reibungslos und effektiv abläuft. Folgende Tipps helfen dabei, das Beste aus der Tele-Ergotherapie herauszuholen:
- Ruhigen, ungestörten Ort wählen: Suchen Sie sich für die Dauer der Sitzung einen geschützten Raum, in dem Sie ungestört sprechen und üben können. Informieren Sie Familienmitglieder gegebenenfalls vorab, dass Sie nicht unterbrochen werden möchten (Tür schließen, Handy stummschalten). Niemand sollte mithören oder hereinplatzen, „man braucht auf jeden Fall einen geschützten Raum, wo niemand zuhören kann“, betont auch eine erfahrene Online-Therapeutin.
- Technik-Check vorab durchführen: Stellen Sie rechtzeitig vor dem Termin sicher, dass alles einwandfrei funktioniert. Ist die Internetverbindung stabil? Lädt der Laptop/Akku? Kamera und Mikrofon getestet? Ideal ist es, ein paar Minuten vor Beginn der Videobehandlung online zu gehen, um eventuelle Verbindungsprobleme noch lösen zu können. Nutzen Sie wenn möglich ein Headset oder Kopfhörer – so verstehen Sie den Therapeuten besser und schirmen Störgeräusche ab. Auch gute Beleuchtung ist wichtig, „damit man [den] Patienten auch sehen kann“, wie Experten betonen. Platzieren Sie also eine Lampe so, dass Ihr Gesicht und Ihr Bewegungsbereich hell genug ausgeleuchtet sind.
- Geeignete Umgebung vorbereiten: Richten Sie den Kamerawinkel und Abstand so ein, dass Ihr ganzes Bewegungsausmaß sichtbar ist. Benötigen Sie für bestimmte Übungen Platz (z. B. am Boden oder an einem Tisch), sorgen Sie dafür, dass dieser Bereich aufgeräumt und gut im Bild ist. Legen Sie sich alle Hilfsmittel bereit, die Sie verwenden wollen, etwa Therapiematerialien (Bälle, Therapieknete, Thera-Band), ein Getränk, ein Handtuch usw. So vermeiden Sie, während der Sitzung suchen zu müssen. Tragen Sie bequeme Kleidung, in der Sie sich gut bewegen können.
- Fokus und Verbindlichkeit: Behandeln Sie den Online-Termin so, wie Sie es mit einem Präsenztermin tun würden. Seien Sie pünktlich und planen Sie sich ein paar Minuten Vorlauf ein, um mental anzukommen. Während der Therapie sollten Sie Ablenkungen minimieren, schließen Sie unnötige Programme auf dem Computer, deaktivieren Sie Benachrichtigungen und legen Sie Ihr Telefon beiseite. Schaffen Sie eine professionelle Atmosphäre, auch wenn Sie zuhause sind: Setzen Sie sich auf einen Stuhl oder an einen Tisch, als wären Sie in der Praxis, statt z. B. lässig auf dem Sofa zu lümmeln. So fällt es leichter, mit voller Konzentration bei der Sache zu sein.
- Notfallplan für Technikprobleme: Trotz Vorbereitung kann es passieren, dass die Verbindung stockt oder abbricht. Wichtig ist, ruhig zu bleiben. Klären Sie am besten im Voraus mit Ihrem Therapeuten, was im Ernstfall zu tun ist, z. B. ein erneutes Einwählen nach ein paar Minuten oder ein telefonischer Kontakt. Meist lassen sich kurze Aussetzer überbrücken, ohne die Therapie abbrechen zu müssen, und für größere Störungen findet man rasch eine Lösung oder verschiebt den Termin. Denken Sie daran: Alle Beteiligten wissen, dass Technik Tücken haben kann, und werden verständnisvoll reagieren. Zur Sicherheit kann es hilfreich sein, die Telefonnummer der Praxis griffbereit zu haben, um bei kompletten Ausfällen kommunizieren zu können.
Mit diesen Vorbereitungen schaffen Patienten ideale Bedingungen, damit die Tele-Ergotherapie effektiv und stressfrei abläuft. Der Schlüssel ist, die Online-Sitzung so ernst zu nehmen wie eine vor Ort – dann steht dem Therapieerfolg nichts im Wege.
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Nähe auf neuen Wegen
Tele-Ergotherapie verbindet moderne Technik und therapeutisches Können zu einem zukunftsweisenden Behandlungsansatz. Versicherte profitieren in allen Heilmittel-Bereichen von den Möglichkeiten der Videobehandlung, sie ist zu einer „wichtigen Ergänzung in der Heilmittelversorgung“ geworden. Natürlich ersetzt die virtuelle Therapie nicht vollständig den direkten menschlichen Kontakt. Doch sie erweitert die Optionen und bringt Hilfe dorthin, wo die Patienten sind: in ihr vertrautes Umfeld, mitten in ihren Alltag. Für viele bedeutet das ein Stück mehr Selbstständigkeit, Sicherheit und Teilhabe. Mit Tele-Ergotherapie wird die Entfernung unwichtig, entscheidend ist nur noch der Mensch, der am anderen Ende der Leitung zur richtigen Zeit ein offenes Ohr, fachkundige Anleitung und Ermutigung bietet. Diese innovative Form der Ergotherapie zeigt eindrucksvoll, dass man selbst über große Distanzen gemeinsam viel erreichen kann, Therapie mit Herz und Verstand, ganz ohne Grenzen.





